Korea - Eindrücke
Heute entschliesse ich mich, den Wunsch ganz in den
Sueden des Landes zu reisen devinitiv aufzugeben.
Es ist nun glaube ich seit meiner Ankunft der vierte,
erhebliche Schaeden hinter sich lassende Taifun, der
ueber dieses Gebiet zieht und wenn ich richtig verstanden
habe ist der Naechste bereits wieder im Anmarsch.
So fahre ich vom Gayasan Nationalpark ueber den Deogyusan-
und Naejagsan- zum Byeonsan Nationalpark an die Westkueste
um dieser dann nordwaerts bis zum Ausgangspunkt meiner
Koreareise, nach Seoul zu folgen. Obwohl ich fuer
diese Strecke mindestens noch 10 Tage brauchen werde
ist der Abschied von diesem Land irgendwie bereits
present. Waerend ich gerade einem Flusslauf bergwaerts
folge der sein schaeumendes Wasser zwischen und ueber
meist rundliche oder eierfoermige Steine von glatter
Oberfläche und ockerroter Farbe hinwegfliessen
laesst erinnere ich mich an die Eindruecke der ersten
Stunden und Tage welches Land und Leute in mir hinterlassen
haben. Es mag Euch eigenartig erscheinen aber es ist
nun mal so. Das erste was mir in Seoul auffiel waren
die Schirmmützen.
Ja, richtig gelesen, die Schirmmützen. Wohl
deswegen, weil fast aAlle Frauen, ob jung oder alt
sie auf dem Kopf trugen obwohl es ein Regentag (uebrigens
einer von vielen waehrend meines Aufenthaltes) war.
Eigentlich waren es gar keine Kopfbedeckungen welche
das Haupt wenigstens vom Regen geschuetzt haetten,
sondern nur ein durch ein Band am Kopf gehaltener
uebergrosser Schild aus gefaerbtem Plastik. Sicher
sind diese urspruenglich als Sonnenschutz gedacht
gewesen, kamen aber irgendwie in Mode und jetzt traegt
man sie eben bei jedem Wetter und Tageszeit so wie
bei uns die Sonnenbrillen ja auch. Oder vielleicht
schützen sie ja das, bei den asiatischen Frauen
beliebte, in dicken Schichten aufgetragene MakeUp
vor dem nass werden, welches die sonst schon weissen
Gesichter noch bleicher erscheinen lassen.
Das zweite waren die Natel. Nicht dass unabhaengig
von Alter und Geschlecht praktisch jeder eines besitzt,
das tut bei uns ja auch fast jeder, sondern dass es
hier ein ganz wichtiges "Accessoir" (weiss
nicht wie man das richtig schreibt) ist, ohne welches
man keinen Schritt aus dem Hause macht. Geschmückt
und verschönert mit allen möglichen Anhängern
(sogar aus Gold) wird es ständig in Händen
gehalten. Ob beim Zeitunglesen, beim Einkaufen oder
gar beim Essen, eine Hand Aist immer durch das "Cellphon"
wie es hier genannt wird besetzt, welches bei jeder
Gelegenheit sofort aufgeklappt wird um zu telefonieren,
zu schreiben oder zu spielen. Auch schien es mir,
dass die aelteren Menschen hier weniger Beruehrungsaengste
mit dieser Kommunikationsart haben als bei uns.
So begegne ich in einem entlegenen Bergtal dem altersgekruemmten
Reisbauer auf seinem Feld mit dem Natel am Ohr, oder
die runzeligalte Bauersfrau welche waehrend dem zum
doerren auslegen der Pfefferschotten einen gemuetlichen
Schwatz via Handy fuehrt wie auch der greise Moench
auf den Stufen des Tempels sitzend, die Tasten seines
Geraetes bedienend. Es ist schon etwas verrückt,
ich weiss. Da reist man in ein Land das sowohl landschaftlich
wie auch kulturell so ganz anders ist als meine Heimat
und die ersten Bilder die bei mir haften geblieben
sind waren Schirmmützen und Handys. Aber es ist
nun mal so, was soll ich machen? Der letzte Schrei
ist jetzt "Karaoke" via Natel und so kann
es vorkommen dass eine Person auf sein Display sehend,
in der U-Bahn plötzlich zu singen anfaengt. Zudem
klingelt es aus alAlen Ecken und Enden in den veruecktesten
Toenen. Bei einer Frau neben mir klingelte es mal
wie eine Schiffssirene mit anschliessendem Moevengekreische
und bei einem Mann wie das knattern einer Maschinenpistole.
Genauso einfallsreich wie die Klingeltoene der Handys
sind die Autohupen. Unsere Polizei bekaeme das nackte
Grausen, wenn sie sich das anhoeren muesste. Irgendwo
in den Bergen toente es einmal hinter mir wie die
Alarmsirene eines U-Bootes, welche eine Nottauchung
vornehmen muss und ich habe im ersten Moment gar nicht
begriffen was ueberhaupt los ist, bis ich realisierte,
dass mich ein junger Mann mit seiner Hupe gruessen
wollte.
Die koreanische Fantasie kennt in dieser Beziehung
wirklich keine Grenzen und sie sind, was Technik und
Elektronik angeht sehr verspielt. Da ist der Farbfernseher
im Cockpit oder das Blitzlichtgewitter im Unterboden
des Autos noch das wenigste. Aber auch ich kann von
dieser Elektronik profitieren. So ist der warme und
kalte Getraenke anbietende Automat bei welchem man
sowohl mit Muenzen wie auch mit Noten und entsprechender
Restgeldrueckerstattung sowie intergriertem Telefonautomat
A praktisch flaechendeckend ueber das ganze Land an
jeder Tankstelle und Lebensmittelgeschaeft Standart
und ich komme wann immer ich will, auch in den entlegensten
Doerfern, zu einem warmen Kaffee. Der Geschmack ist
dann ein anderes Thema, aber dafuer ist er warm. Ueberhaupt
gibt es fast nichts, was man sich nicht aus einem
Automaten beschaffen könnte. Diese Geraete sind
aeusserst zuverlaessig und gut gewartet denn ich bin
in der ganzen Zeit nur einem begegnet, der nicht funktionierte.
Aussergewoehnlich fand ich auch ihre kauernde Ruhestellung.
Eine Erholungspause verbringt man am Troittoirrand
sich einfach niederkauernd, die Knie auseinandergespreizt
und das Gesaess auf den Fersen abgestuetzt. In dieser
Stellung begegne ich Frauen bei einem gemuetlichen
Schwatz, den Busschauffeuer beim Zwischenhalt seine
am Boden ausgebreitete Zeitung lesend oder der Bauarbeiter
seine Pausenzigarette rauchend. Habe ich auch versucht
aber mir sind nach wenigen Minuten bereits die Beine
eingeschlafen. Beim spazieren durch die Strassen Seouls
zeigen mir die vielen Geschaefte mit Angel- und Outdoorzubehoer
dass sie hierzulande begeisterte Fischer und Wanderer
sein muessen. Und wirklich begegne ich an vielen der
Fluesse und Stauseen die mit aller Technik und Schickschnack
ausgeruesteten Sportfischer beim Ausueben ihres Hobby.
Da gehoert der spezielle, mit allem erdenklichen Zubehoer
gefuellten Schubladen und Faechern bestueckte Anglerstuhl
ebenso dazu wie die vollelektronische Bissanzeige
mit automatischer Lichteinschaltautomat. In den Nationalparks
geselle ich mich beim Aufstieg zu den Berggipfeln
zu topausgeruesteten Berggaengern. Da gibt es nichts
halbbatziges.
Es fehlt weder Eispickel noch Kompass oder Becher
aus Titan fuer den Gipfeltrunk. Das gleiche Bild auf
den Campingplaetzen die es in den meisten Nationalparks
hat. Hier uebertreffen sie sogar noch die Spanier
vor allem was die Qualitaet des Zubehoers betrifft.
Da gibt es nur Chromstahl, Cortex und Titanium. Vieles
ist komplett ueberfluessig und wird auch nie gebraucht
aber Hauptsache ist, man hat es. Kurz, einem Teil
der Koreaner geht es ueberdurchschnittlich gut, das
Geld sitzt aeusserst locker und man will auch zeigen,
zwar ganz diskret wie der Asiate nun mal ist, dass
man es hat. Die entsprechenden FAinanzen erlauben
es dem Koreaner sich mit allem auszustatten was sie
sich fuer das taegliche Leben, Freizeit und Hobby
nur wuenschen und er macht von dieser Moeglichkeit
auch grosszuegigen Gebrauch. Jedes mal wenn ich auf
einem dieser Plaetze mein Zelt aufstellen will, bin
ich innert kuerze von einer ganzen Traube wissbegieriger
Menschen umringt. Das sind sie dann auch, die Koreaner
die englisch sprechen koennen. Meine ganze Ausruestung
und jeder meiner Handgriffe werden aeusserst genau
unter die Lupe genommen und gibt meistens Anlass zu
langen Diskussionen von dessen Inhalt ich natuerlich
nichts mitbekomme.
Von Zeit zu Zeit kommt einer zu mir und taeschelt
meine Waden oder befuehlt die Muskeln an Oberschenkeln
oder Armen. Das erste Mal bin ich ganz schoen erschrocken
kann ich Euch sagen, denn ich wusste nicht, was ich
davon halten und wie ich reagieren sollte. Aber als
es auch Maenner in Begleitung ihrer Ehefrauen machten
war ich etwas beruhigt. Schaetze es zwar ueberhaupt
nicht, scheint aber hier irgendwie ueblich zu sein.
Wenn ich dann alles aufgestellt und eingeraeumt habe
lassen sie mich dann endlich A alleine und gehen zurueck
zu ihren eigenen Zelten. Obwohl niemand mehr zu mir
hinschaut weiss ich genau, dass jede meiner Handlungen
genau beobachtet wird (wie sie das machen ist mir
ein Raetsel) und sobald ich irgend etwas aus meinem
Gepaeck, z.B. meiner Wenger-Sackmesser, hervorkrame
was sie interessieren koennte steht schon wieder einer
da um es zu begutachten. Es ist einfach ihre Art und
ich habe es ihnen auch nicht Uebel genommen. Trotzdem
habe ich manchmal den Platz genau aus diesem Grunde
vorzeitig verlassen und bin weitergereist.
Es gibt aber auch dijenigen, die an diesem Wirtschaftsaufschwung
nicht teilhaben koennen, die Lumpensammler, Obdeachlose
und Bettler. Auch dieses Leben im Schatten des Wohlstandes
laeuft nach asiatischer Manier aeusserst diskret ab
und da fuer die nicht meisten nicht sichtbar, wollen
viele auch nicht wahrhaben dass es sie gibt. Diesbezügliche
Fragen wurden mir selten bis nie beantwortet und man
tat, als hätte man nicht verstanden und wechselte
diskret zu einem anderen Thema. Eine weitere Eigenheit
dieses Landes mag diejenigen interessieren welche
schon mal dringend zur Toilette mussten und nirgends
eine finden konnten. AIn Korea kann dies schlicht
und einfach nicht passieren da ich noch nie so viele
öffentliche Toiletten gesehen habe wie hier.
Sei es in den Ortschaften wie auch unterwegs findet
man alle par Kilometer zwei chemische Toiletten am
Strassenrand stehend und zwar flächendeckend
im ganzen Land.
Auf den Haupt- und Landstrassen in etwas grösseren,
auf den Strassen der Nationalparks in kürzeren
Abständen. Zudem gibt es keine Sehenswürdigkeit
oder Passübergang ohne Toilette. In den U-Bahn-Stationen
sind bei jeder Abzweigung sogar die Distanz in Meter
zum Gesuchten angegeben. So kann man sich selber ausrechnen
ob die Zeit noch gut reicht oder man besser einen
Zwischenspurt einlegen sollte. Dafür sucht man
vergeblich nach einem Abfalleimer, es gibt nähmlich
keine. Weder in der Stadt, noch öffentlichen
Gebäuden oder in Parks. Das hingegen habe ich
überhaupt nicht verstanden, landet doch der Müll
so automatisch am Boden. Dort bleibt er aber oftmals
nicht lange liegen denn schon bald kommt der nächste
oder die nächste "Lumpensammlerin"
vorbei und verstaut es in ihrem meist selbst zusammengebastelten
Handwagen. Vielleicht ist dies der Grund warum sich
der Staat das Geld für die Abfallbeseitigung
so sparen kann. Nach dem Start in Soul ist mir schon
A bald die enorme Bautaetigkeit aufgefallen. Einen
uebergrossen Anteil der Strassen die ich befahre werden
grosszuegig ausgebaut oder es entsteht parallel dazu
eine neue, mehrspurige Fahrbahn. In der Streckenfuehrung
geht der Koreaner zugunsten der Umwelt keine Kompromisse
ein sondern waehlt den einfachsten und direktesten
Weg.
So werden oftmals ganze Huegel abgetragen und die
entstandenen Wunden in der Landschaft leuchten mir
schon kilometerweit entgegen. Die Boeschungen sind
extrem Steil und nicht selten schaetzungsweise ueber
30 Meter hoch wenn nicht noch mehr. Da braucht man
sich ueber die vielen, in den regenreichen Monate
abgehende Schlammlawinen nicht zu wundern. Riesige,
auf unzaeligen Betonpfeiler stehende Stahlbruecken
ueberspannen ganze Talschaften und zerstoeren jegliches
Landschaftsbild. Aber auch die Wasserlaeufe bleiben
nicht unangetastet. Fast kein Flussbett das nicht
verbreitert und begradigt, fast kein Ufer das nicht
befestigt wird. Tausende und abertausende von Menschen
mit schwerem Baugeraet arbeiten auf diesen unzaeligen
Baustellen im ganzen Land und ich habe mich oft gefragt,
A wie das ein Staat ueberhaupt bezahlen kann. Habe
gerade vor wenigen Tagen gehoert, dass verschiedene
Wirtschaftsexperten aus der ganzen Welt Korea in den
naechsten Jahren einen grossen Wirtschaftskolaps prophezeien
und das kann ich problemlos glauben. Man stelle sich
vor dass gerade jetzt ein Generalstreik geplant ist
weil die Arbeitgeben nur 7% anstelle der in den letzten
Jahren immer gewaehrten jaehrlich 10% Gehaltsehoehung
bezahlen wollen. Nach all dem was ich hier geschrieben
habe koennte man vielleicht zum Schluss kommen, dass
es mir in Korea ueberhaupt nicht gefallen hat. Das
Gegenteil ist jedoch der Fall. Der Koreaner ist ein
zwar aeusserst neugieriger aber freundlicher und hilfsbereiter
Mensch.
Vielleicht wird einem dies erst richtig bewusst wenn
man versucht, die asiatische Mentalitaet und Lebensweise
etwas zu verstehen und auch beruecksichtigt, dass
er den Umgang mit Fremden in der Regel nicht gewohnt
ist. Die Naturschoenheiten der in Nationalparks unangetasteten
Baechen und Fluessen, die ganz spezielle Vegetation
der einsam und still daliegenden Taeler und Huegel
und diese unverglAeichliche Bergwelt in den 20 National-
und unzaeligen Regionalparks entschaedigte mich mehr
als genug fuer all das andere. Und da sind noch die
Tempel, diese Oasen der Ruhe und Besinnung in welchen
ich mich immer so gerne aufgehalten habe. Ich bin
und bleibe Christ, das ist weder Frage noch Problem
fuer mich. In diesen mit grosser Sorgfalt und Liebe
erstellten, geschnitzten und bemalten Bauten, diesen
reichlich geschmueckten und verzierten Altare und
den andaechtig und voller Hingabe ausgefuehrten Zeremonien
der Moenchen versucht man alles menschenmoegliche
zu tun um Gottes Liebe und Schoepfung gerecht zu werden,
ob man Ihn nun Buddha, Krishna oder Jesus Christus
nennt. Alle Religionen sind sich diesbezueglich einig,
dass es nur einen Gott gibt. So bin ich der festen
Ueberzeugung dass es dem zufolge nur den einen alleinigen
Gott fuer alle geben kann denn sonst waeren es ja
mindestens zwei, der Richtige, den man selbst anbetet
und der Falsche, an den die anderen glauben. Schon
wegen diesen, bis in die entlegensten Taeler und auf
die hoechsten Berge verstreuten Andachtsstaetten mit
ihren sorgfaeltig angelegten asientypischen Gaerten
war es wert, dieses Land besucht zu haben. Und gerade
die Wanderungen in dieser Bergwelt, Gottes wunderbare
Schoepfung stets vor Augen und die langen Aufenthalte
in den einsam gelegenen Gebetshaeusern, Gottes unermessliche
Liebe im Herzen verspuehrend, boten mir den Boden
aus welchem viele Erkenntnisse meiner selbst erwachsen
konnten.
Ich danke Dir "Land der Morgenstille"
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