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Warum?

Frühling. Ein wundervoller Samstag Vormittag und keine einzige Wolke am stahlblauen Himmel. Nichts hindert die Sonnenstrahlen auf unseren Garten und Sitzplatz zu scheinen. Sandra sitzt am Gartentisch, eines Ihrer Bastelhefte aufgeschlagen und summt die Melodie zu einem Musikstück, dass gerade von Radio Extra B gesendet wird. Vor den Büschen der Johannisbeeren stehend, staune ich über ihre übervolle Blütenpracht. Es wird wieder eine reiche Ernte geben diese Jahr und verliere mich in den schönen Erinnerungen vergangener Tage. Was für ein Glückpilz ich doch bin, denke ich und danke Gott für die wunderbaren Geschenke, die ich Tag für Tag von ihm erhalte, seit Anbeginn meines irdischen Lebens. Ein mir bestens bekannter, melancholisch und sehnsuchtsvoll tönender Ruf holt mich ins Jetzt zurück. Noch bevor ich den Blick zum Himmel erheben weiss ich, wem diese Stimme gehört. Ein Pärchen Rotmilane zieht ihre gewohnten Kreise über unserem Quartier. Was für wundervolle Wesen. Welche Anmut und Eleganz liegt doch in ihrem Flug.

Ich fühle mich glücklich, sehr glücklich sogar und erinnere mich kaum, es irgend einmal nicht gewesen zu sein.

Mit was habe ich das nur verdient. Kaum hat sich diese Frage in meinem Geiste formuliert werde ich von einer unerklärbaren Angst erfüllt. Es ist das erste Mal dass mich diese für mich bis zu diesem Zeitpunkt unbekannte und beklemmende Gefühl beschleicht. Während ich mich zu Sandra umdrehe sage ich zu Ihr: „es ist unglaublich, wie viel Glück wir in unserem Leben bis heute haben erfahren dürfen. Alles was wir tun gelingt und wir sind umgeben von lieben, herzlichen, wunderbaren Menschen. Mit was haben wir das bloss verdient, hat es doch so viele Menschen, denen es so viel schlechter geht als uns. Sandra, ich habe Angst, dass unser Glück ein plötzliches Ende haben und etwas passieren könnte“

Ich sehe diese Szene vor mir als wäre es gestern und sie taucht in meinem Geiste auf, immer und immer wieder, Tag und Nacht. Habe ich Gott etwa mit meinem Zweifel was seine grenzenlose Liebe betrifft, beleidigt. Mein Gott, was habe ich mit meiner Angst bloss heraufbeschworen.
5 Monate später erhielt Sandra von ihrem Arzt die niederschmetternde Diagnose, Krebs in der linken Brust und weitere 30 Monate später, am 16. März 2003 morgens um 04.00 Uhr hat Sandra’s Geist ihren Körper für immer verlassen. Im gleichen Augenblick wurde mir der Boden unter den Füssen entzogen und ich stürzte in eine abgrundlose Tiefe. Zwischen der Diagnose und Sandras Tod lagen 30 Monate in welchen wir alles nur Erdenkliche versucht haben um die Krankheit zu besiegen, ihr Leben zu retten. 30 Monate geprägt von Operation, Bestrahlung, Chemotherapie, Untersuchungen, Arzttermine, Röntgen und nochmals alles wieder von vorne. Beten, Glauben, Hoffen. Sandra hat alles weggesteckt als wäre es nichts. Ihre Hoffnung, ihr Glaube und ihr Lebenswille waren unerschütterlich bis zu ihrem letzten Atemzug.

Mit Sandras Tod ist auch ein grosser Teil von mir gestorben und hat ihre Seele ins Jenseits begleitet. Dort wird sie bleiben bis auch der Rest ihr folgen wird. Was von mir zurückblieb ist gefangen, eingesperrt im Dunkeln meiner Traurigkeit und trotz dem vielen Suchen habe ich den Weg ans Licht nirgends finden können. Auf dieser Suche bin ich viel umhergereist und besonders meine Pilgerfahrt mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg nach Santiago de la Compostela hat mir dabei viel geholfen. Traurigkeit und Schmerz sind unverändert da aber ich habe gelernt sie besser zu ertragen. Meine innere Unruhe und Rastlosigkeit blieb und ist von Tag zu Tag nur noch grösser geworden, so gross, dass es manchmal kaum noch auszuhalten war. Vielleicht, weil ich noch viele offene Fragen habe oder weil ich den Sinn für ein Weiterleben finden möchte. Ich konnte nicht anders als diesem Drang nachzugeben und wenn Ihr diese Zeilen lest, hat meine Reise auf der Suche nach Ersatz für den verlorenen Teil meines ich’s, der mich zusammen mit Sandra verlassen hat bereits begonnen.

Liebe Familie, liebe Freunde
es ist mir sehr schwer gefallen Euch zu verlassen denn ich lasse alles zurück, was mir im Leben noch etwas bedeutet hat. In unzähligen schlaflose Nächten mit viele Tränen habe ich verzweifelt nach einem gangbaren Weg gesucht. Ich habe keinen anderen gefunden. Mit auf meine Reise aber nehme ich Euer Mitgefühl und Eure Liebe und in meinem Herzen eingebrannt Sandras letzte Worte.

Gott hat mich zu sich gerufen
und ich bin seinem Ruf gefolgt.
Es ist mir nicht leicht gefallen,
denn ich habe das Leben und Euch alle sehr geliebt.
Bitte vergesst mich nicht
und lasst mich in Euren Herzen weiterleben.
Sandra

Ich umarme Euch alle,
Curi

 

 
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